Als ich eines Morgens aufwachte und festzustellen hatte, dass mir, nachdem ich mir noch die „Tagesthemen“ angesehen hatte, eine ausgesprochen geruhsame Nachtruhe gegönnt gewesen war, meldete sich voller Tatendrang mein ganz persönlicher Kant. Ich solle was tun, meinte er, und wenn Kant so etwas meint, dann spielt er auf mein Oberstübchen an, als brauche es ein wenig Auffrischung.
Also sagte ich: „Kant, wir gehen in die Universität.“ Und wir gingen in die Universität.
Natürlich gingen wir nicht sofort. Ich war mental noch gar nicht auf Universität eingestellt. Also setzte ich mich auf die Kautsch im Wohnzimmer und bereitete mich erst einmal darauf vor.
Worauf bereitet man sich vor, wenn man sich auf die Universität vorbereitet?
Die Kautsch ist das Möbel, in dem der Tag seinen Schrecken verliert, wie er einen schon des Morgens befallen kann. Nachts können mir die Tage allerdings auch ohne Kautsch den Buckel runterrutschen. Aber am Morgen lässt sich kein Tag ignorieren. Da drängt er sich einem einfach auf. Man hat ihn zu nehmen wie er kommt. Dagegen sträube ich mich, so wie sich jeder selbstbewusste Mensch gegen derlei Natürlichkeiten sträuben sollte, indem ich ein wenig auf der Kautsch verweile.
Ich ließ meine Blicke schweifen und ergab mich spontanen Betrachtungen, gerade so, wie sie kamen.
Unversehens fand ich mich bei mir selber wieder. Es war, als zöge mein ganzes Leben an mir vorüber, wie man es von Menschen erzählt, die sterben. Aber es war nicht nur mein vergangenes, sondern mein ganzes, also auch mein künftiges Leben.
„Sprich deine Gebete!“, hallte es todesdrohend in mir und ich sah mich einem Revolverhelden gegenüber, der einen Schuss auf mich abfeuerte. Ein Stück Kindheit war in mir wohl noch lebendig.
Aber ich sprach diese meine Gebete natürlich nicht. Für diese Gebete war es noch zu früh.
Statt dessen fing ich an, die gerade erlebten Augenblicke zu genießen, ja ich verlor mich geradezu in sie.
Ich besah mir die Vitrine mit den Gläsern und dem Kaffeegeschirr, das nichts zu tun hat als da zu sein, weil es nie benutzt wird, um für besondere Gäste auch ein besonderes Geschirr zu sein. Da wurde ich nachdenklich und fasste für den vor mir liegenden Tag einen Entschluss. Zur Universität ging ich nicht, obwohl Kant redegewandt protestierte.