Wenn mich jemand fragen sollte, ob Kant kinderlieb sei, würde ich ohne zu zögern mit ja antworten, nach einigem Zögern jedoch mit nein. Solange natürlich meine Mitmenschen, etwa meine Frau, Kant nur für mein ganz persönliches Hirngespinst halten, wird niemand auf die Idee kommen und mir eine solche Frage stellen. Wer aber meine niedergeschriebenen Erlebnisse mit Kant verfolgt, wird verwundert wissen wollen, wie das zusammengeht: Ja und nein als synchrone Antwort auf eine Frage. Denn meine Kinder mag er nicht.
Dabei kann ich bezeugen, dass er beim Anblick eines Kindes stets in eine merkwürdige Verzückung fällt. Könnte er weinen, vertraute er mir einmal an, so hätte er gewiss jedesmal mit Tränen der Freude zu kämpfen, sähe er in diese wundervollen kleinen Äuglein. Er verstünde überhaupt nicht, dass die meisten Menschen, dieses, wie er sich ausdrückte, nach Gesellschaften und Kulturen sortierte Pack, nicht auch diese Freude verspürten. Statt dessen fielen die meisten, wenn sie eines Babys ansichtig würden, abrupt in ihr infantilstes Stadium zurück und gäben unverständliche Lalllaute von sich. Kinder seien nichts weniger als Zeugen und Boten des Lebenswillens und hätten deshalb Respekt verdient.
„Die meinen auch?“
Er wusste natürllich, worauf ich anspielte. Denn die meinen mag er, wie gesagt, nicht.
„Deine Kinder machen mich traurig. Denn ich werde nie Kinder haben wie du. Ich teile meine Existenz mit der deinen. Aber ich muss ein anderes Leben führen als du.“