Aufmerksamkeit des Tages

Aphorismen

Aphorismen sind bequem, weil man Behauptungen aufstellen kann, ohne sie begründen zu müssen. Damit sind sie für den Leser unbequem.

12 Kommentare zu „Aphorismen

  1. Aphorismen sind normalerweise aber nicht einfach nur unbegründete Behauptungen! Sie sollten – im Idealfall zumindest! – in ihrer vermeintlichen Geschlossenheit eine Vorstellung von den inneren Kämpfen vermitteln, die deren Urheber führen mussten, um in vorläufiger Resignation einen Aphorismus erschreiben zu können, der noch lange nicht der Weisheit letzter Schluss ist, obwohl er in mehreren Hinsichten erhellend auf den unvoreingenommenen Leser – und auch den Aphoristiker selbst! – wirken kann.

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    1. Ich habe auch nicht gesagt, dass sie unbegründete Behauptungen sind, sondern dass sie Behauptungen aufstellen können, ohne sie begründen zu müssen. Das macht sie bequem, weil sie im Unterschied etwa zu einem Essay nach außen hin weniger Arbeit machen. Gleichzeitig können sie gerade deshalb eine ungeheure Herausforderung für den Leser sein. Der allerdings hat das Vergnügen, der sich anregen lassen zu können, ohne lange Texte wälzen zu müssen.

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      1. Ein Aphorismus, der lediglich die >Behauptung< eines vermeintlichen Aphoristikers darstellen und damit auch noch bequem sein soll (ohne für den Leser damit wirklich bequem zu sein, wie es dein Aphorismus ja vermittelt, den ich im Übrigen auch gerne "Aphorismus" nennen will!;), hat eine solche Bezeichnung nicht verdient, denn der Aphorismus ist das Konzentrat einer impliziten Wahrheit, die erkämpft wurde (s. o.) und ein guter Aphoristiker ist sich darüber bewusst, dass der festgehaltene Aphorismus nach der Niederschrift und mit der damit einhergehenden Verfügbarkeit für andere längst über ihn hinausgewachsen ist, weil er auch die "Wahrheiten" der Leser provozieren wird, die die einstmalige Wahrheit des Aphoristikers oft nur noch erahnen, aber nicht mehr in ihrem Lebensvollzug nachvollziehen können.

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      2. Mir kommt dabei ein Aspekt zu kurz: die sprachliche Gestaltung. Denn gerade deretwegen schätze ich den Aphorismus besonders, in dem ich eine eigene literarische Gattung erkenne. Ich gehe sogar soweit zu sagen, dass meine Aphorismen nicht in jedem Falle die Meinung des Verfassers wiedergeben, sofern sie nur sprachlich interessant sind. So etwas wie das lyrische Ich oder den Erzähler in Prosatexten konstatiere ich auch für den Aphorismus.

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      3. Ein Aphorismus sollte in meinen Augen aber nicht zum bloßen Sprachspiel verkommen (wie es z. B. beim Kalauer der Fall ist, der leider allzu oft in die Nähe des Aphorismus gerückt wird!), denn in erster Linie soll ja etwas Bedenkenswertes zur Sprache gebracht werden: Natürlich ist die sprachliche Gestaltung eines ansprechenden Aphorismus nicht unwichtig, aber wichtiger als diese scheint mir doch immer noch die Aussage zu sein, auch wenn sie im gelungenen Aphorismus natürlich nicht allzu grob und offensichtlich plakativ ins Auge springen soll, sondern idealerweise vom Aphoristiker vor der Niederschrift solange gedankenreich hin und her gewendet wird, bis sich ein „vollendeter“ Aphorismus bilden kann, der die Gedankengänge des Aphoristikers auch nach der Niederschrift in ihrer Wandelbarkeit belässt und dem Aphorismus damit eine gewisse Offenheit gibt, die ihn auch für andere Mitdenker interessant macht.

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      4. Von einem bloßen Sprachspiel war bei mir nicht die Rede. Allerdings unterliegt es der Souveränität dessen, der einen Aphorismus verfasst, ob er nicht auch auf den Spuren des Kalauers wandelt.

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  2. Ich behaupte, dass ein Aphorismenaphorismus, in dem behauptet wird, dass Aphorismen bequem sind, weil man Behauptungen aufstellen kann, ohne sie begründen zu müssen, für den Leser sehr bequem ist, weil man nämlich durch einen solchen Aphorismenaphorismus kurz und bündig informiert wird, worüber man informiert wird. Ein solcher Aphorismenaphorismus macht folglich auf das Gegenteil dessen aufmerksam, worüber er vorgeblich informiert.
    (Mitteilung an das OFF: komplizierte Variante des Lügner-Paradoxons, aber genauso einfach zu verstehen.)

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  3. Der Aphorismus und die Differenz: Schrift will sich schreiben in möglichster Kürze. Und der Aphorismusaphotismus weiss das: Der Gedanke des Denekenden ist ja auch nur ein kurzer Block als Phänomen, der will dann ausgedrückt sein, möglichst kurz en bloc.

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